Habt ihr nie in der Schrift gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder?“
Jesus verweist hier auf Psalm 118. Ich interpretiere das so: Gott urteilt anders als die Menschen. Es mag sein, dass wir Menschen jemanden als untauglich anssehen, „wegwerfen“, weil er unseren Ansprüchen nicht genügt. Wir beurteilen die Tauglichkeit eines Menschen nach sehr menschlichen Maßstäben: ist er für uns nützlich oder für die Menschheit? Ist er intelligent genug, fit genug, denkt und tut er oder sie das Richtige bzw das, was ich für richtig halte? Und oft bleiben wir dabei an der Oberfläche, fragen nicht nach, suchen nicht nach Hintergründen, sondern schauen nur nach „Funktionalität“. Dabei fällt mir ein Kommunionkind ein, in einer meiner Kommuniongruppen: aus den verschiedensten Gründen war sie in der Entwicklung reduziert, älter als die andern und doch erst im zweiten Schuljahr, und wenn sie las, war das eine Kathastrophe. Und wir „Tischmütter“ versuchten zunächst, sie nicht lesen zu lassen, schon gar nicht in der Kirche. Die anderen Kinder aber sahen das anders: das Mädel wollte lesen und sie sollte das auch. Sie las bis zum Ende nicht gut. Aber mit immer mehr Selbstbewusstsein – heute ist sie eine ganz selbstbewusste junge Frau, die mit ihren Handicaps zu leben weiß.
Gott sieht nicht auf das Äußerliche. Er schaut nicht, ob der Stein gerade ist oder krumm. Er bewertet den ganzen Menschen mit seiner ganzen Tiefe.
Gehen wir heute mit offenen Augen durch unseren Tag und schauen, wo wir Menschen schnell abtun, abwerten, und sei es auch nur für uns: gerade dieser Mensch könnte ein wertvoller Stein sein in Gottes Haus, das lebt.
Schauen wir genauer hin, jeder und jede für sich und alle gemeinsam und kommen wir so dem Osterfest ein Stückchen näher.